Anfang 2025 begannen die US-amerikanischen Hyperscaler, ihre Öffentlichkeitsarbeit in Europa zu intensivieren und aggressiv für „souveräne Cloud“-Angebote zu werben. Damit wollten sie die wachsenden Ängste vor der Überwachung durch die USA zerstreuen, die durch Rechtsunsicherheit, die Präsidentschaft Trumps und die weit verbreitete Sorge um die europäische Autonomie im digitalen Bereich geschürt wurden.
Microsoft brachte seine European Cloud Principles auf den Markt, die später in European Digital Sovereignty Commitments umbenannt wurden. Das Unternehmen versprach, durch lokale Kontrolle, Transparenz und Datenresidenz Vertrauen zu schaffen. Amazon, Google und Salesforce folgten diesem Beispiel mit ihrem eigenen „souveränen” Label. Sie versicherten den europäischen Regierungen und Unternehmen, dass ihre Clouds sicher, abgeschirmt und voneinander getrennt sind.
In den letzten Wochen ist dieses Narrativ der „souveränen Cloud” zusammengebrochen und hat die Bemühungen der großen Tech-Unternehmen als „Sovereignty Washing“ entlarvt. Und dieses Mal sind es nicht Kritiker, die die Widersprüche aufdecken – es sind die Tech-Unternehmen selbst.
„Ich kann nicht garantieren, dass Ihre Daten nicht weitergegeben werden“
Anfang Juni sagte Anton Carniaux, General Manager von Microsoft Frankreich, unter Eid vor dem französischen Senat aus (Transkript (FR), Video (FR), Medienberichterstattung (DE)), dass er nicht garantieren kann, dass die Daten französischer Bürger – selbst wenn sie von Microsoft im Rahmen einer Vereinbarung über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen (UGAP) gehostet werden – nicht ohne Zustimmung der französischen Regierung an ausländische Behörden weitergegeben werden.
Dies steht in direktem Widerspruch zu Microsofts europäischer Kampagne für digitale Souveränität und untergräbt die Glaubwürdigkeit des Unternehmens. Kritiker haben bereits darauf hingewiesen, dass diese Versuche des „Sovereignty Washings“ nur ein Marketingbluff sind. Nun gibt Microsoft dies unter Eid eindeutig zu.
Unterdessen zitiert ein Bericht von CloudComputing-Insider (DE) Vertreter mehrerer US-Hyperscaler – AWS, Microsoft, Google und Salesforce – mit der Aussage, dass sie europäische Kundendaten an die US-Behörden aushändigen würden, wenn sie durch einen Gerichtsbeschluss dazu verpflichtet würden.
Kevin Miller, VP of Global Data Centres bei AWS, war besonders deutlich (DE): Er sagte, er könne nicht garantieren, dass die Daten eines deutschen KMU nicht an die US-Behörden weitergegeben würden.
Sovereignty Washing: die Kluft zwischen Marketing und Realität
Diese jüngsten Aussagen offenbaren ein beunruhigendes Muster: Mit der wachsenden öffentlichen Besorgnis in Europa sind auch die Versprechungen der amerikanischen Cloud-Anbieter gestiegen. Aber diese Versprechen konnten nie durch echte Garantien untermauert werden.
Die Vorstellung, dass ein amerikanisches Unternehmen einen Cloud-Service in Europa für europäische Kunden betreiben und irgendwie immun gegen die amerikanische Überwachungsgesetzgebung bleiben könnte, war immer wackelig. Die jüngste Flut von „souveränen Clouds“ war eine PR-Reaktion auf politischen Druck – keine technische oder rechtliche Lösung.
Innerhalb weniger Tage hat sich diese PR-Bemühung in Luft aufgelöst.
Was im Gerichtssaal gesagt wird, zählt mehr als das auf der Bühne
Hier geht es nicht nur um Politik oder rechtliche Feinheiten. Es geht um Vertrauen. Die US-Tech-Giganten versprechen gerne digitale Souveränität in Hochglanz-Whitepapers, Marketingvideos und auf Konferenzen. Aber wenn sie unter Eid befragt oder direkt nach den tatsächlichen rechtlichen Verpflichtungen gefragt werden, müssen sie die Wahrheit zugeben: Sie können Ihre Daten nicht vor der US-Regierung schützen. Nicht einmal, wenn sie in Europa gespeichert sind. Nicht einmal, wenn sie sagen, dass sie „souverän“ sind.
Für Kunden dieser Unternehmen sind – sei es eine Regierungsbehörde, ein Vertreter einer hochregulierter Branche oder ein normales Privatunternehmen – sind die Konsequenzen klar. Sie sollten nicht auf das Sovereignty Washing hereinfallen: Was Big Tech in einem Gerichtssaal sagt, ist mehr wert als jede Pressemitteilung.
Was sie gerade gesagt haben: Sie können sich nicht auf ihre Versprechen verlassen.
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